Freitag, 17. Juli 2015

Das Personal Project- Eine kleine Kindergärtnerin bittet um Unterstützung

Soo meine Lieben, nun hat mein sechster Monat hier begonnen und es ist Zeit für einen Tapetenwechsel. Im wahrsten Sinne das Wortes, aber dazu gleich mehr.
Ich bin jetzt schon wirklich und wahrhaftig ein halbes Jahr hier. Keine Ahnung wie es euch dabei geht, aber ich bin ein bisschen irritiert, wie schnell die Zeit vorbeirast. Und doch habe ich in dieser Zeit schon so viel erlebt, gesehen und gelernt.
Und was man gelernt hat, sollte man auch in der Praxis anwenden nicht wahr, dreidimensionales Koordinatensystem und Polynomdivision?
Von meiner Organisation AFS ist vorgegeben, dass jeder Freiwillige ein so genanntes Personal Project in seinem jeweiligen Projekt durchführen soll. Dieses soll in irgendeiner Weise zur Verbesserung des Projektes führen und kann frei gestaltet werden. Außerdem wird damit gewährleistet, dass man als Freiwilliger in seinem Freiwilligendienst wirklich etwas bewirkt, sei es auch noch so klein, denn das Personal Project soll nachhaltig sein.
Nun, man sollte meinen, dass es einfach wäre ein Personal Project in einem Kindergarten zu gestalten. Es gibt doch unzählige Bereiche und somit reichlich Möglichkeiten! Habe ich mir zumindest gedacht. Englischunterricht! Aber es sind Kindergartenkinder und die wichtigsten Grundlagen bringt ihnen die Niña schon bei. Außerdem versuchen Sie mal eine quirlige Gruppe von 25 Kindern zwischen 2-4 Jahren englische Wörter beizubringen, wenn sie noch nicht mal die von Zahlen von 1 bis 10 richtig auf Spanisch können. Vielleicht ein neuer Ernährungsplan? Aber die Kinder erhalten alle wichtigen Nährstoffe, die sie benötigen und kriegen immer Salat oder Früchte zu den Mahlzeiten. Des Weiteren würden die Köchinnen sich eventuell beleidigt fühlen (costa ricanische Kultur...). Was dann? Anfangs wollte ich einen Sportunterricht einführen, da einige Kinder sehr dünn sind und ganz nebenbei auch Gruppendynamik entstehen würde. Aber die Niña macht regelmäßig Sport mit ihnen. Eigentlich ist diese Frau perfekt und ich kann so gut wie gar keine Schwächen in ihrer Unterrichtsart ausmachen. Als ich das realisiert habe, war ich zunächst etwas geknickt, da ich mich etwas nutzlos gefühlt habe. Mit meinem Förderunterricht hat sich dies aber etwas verbessert, weil ich halt wirklich die Problemkinder pushen kann, da diese im normalen Unterricht nicht aufpassen (einer der kleinen Schwächen die mir aufgefallen sind).
Eines Freitagnachmittags kam mir dann plötzlich der Geistesblitz, als ich gerade dabei war, die Möbel zu säubern und kurz gedankenverloren auf  die Löcher an der Wand starrte. Moment mal... Löcher? Löcher. Abgeblätterte Farbe. Schmutzige und trostlose Metaltüren. Kaputte Spielzeuge. Ein total verrosteter Zaun, der eher an eine Gefängnisanstalt erinnert als an einen Kindergarten. Da kam mir die Idee: "Ich werde diesen Kindergarten renovieren! ". Total enthusiastisch erzählte ich der Niña von meiner Idee und sie fing sofort an mit mir Pläne zu schmieden. Dabei viel mir auf, dass ich ziemlich viel Geld aufwenden müsste, um alles wieder in ein positive Energie ausstrahlendes Ambiente zu verwandeln.
Demnach bin ich momentan wieder auf der Suche nach Spendern und Sponsoren, die mich bei diesem Projekt unterstützen wollen. Ein Eimer Farbe für den Zaun kostet zum Beispiel ca 120$ und ich schätze, dass ich mindestens zwei brauchen werde. Den Zaun sehe ich als zentrales Problem, da ich nicht möchte, dass die kleinen unschuldigen Kinder ihre Vorschulzeit hinter einem so einschüchternden Zaun verbringen. Solche werden sie noch oft genug sehen in ihrem Leben, aber zumindest ein Kindergarten sollte Freude und Geborgenheit ausstrahlen.
Je nach dem, wie viel Unterstützung ich kriege, kann ich weitere Teile des Gebäudes renovieren: Die Türen könnten eine freundlichere Farbe gebrauchen (es ist wissenschaftlich bewiesen, dass sich Umgebung und Farben besonders auf die Psyche auswirken, was gerade bei Heranwachsenden wichtig zu berücksichtigen ist), die Wandfarbe müsste erneuert werden, da dir Farbe abblättert, die Bücher fallen auseinander (ich plane diese zu ersetzen)  und die Kinder würden sich sicher über eine neue "Area" freuen. Wenn so viel zusammenkommt, dass alle Kosten gedeckt werden können und danach noch Geld übrig bleibt, werde ich das Geld an das Cen Cinai spenden, damit die Kinder einen Ausflug an den Strand oder auf einen Vulkan machen können, da die Eltern kaum Geld haben, um solche Aktivitäten mit den Kindern zu unternehmen. Ich selbst werde ebenfalls mein Erspartes in dieses Projekt investieren, was aber leider nicht so viel ist. Aber ich stehe voll und ganz hinter meinem Projekt, da ich denke, dass es das Beste für die Kinder ist und mein Werk noch Jahre nachdem ich schon wieder zurück nach Deutschland bin vor Ort ist und anderen Freude bereitet.

Wenn ich euer Interesse geweckt habe, schaut doch einfach auf der Seite "Spenden" nach, da erfahrt ihr mehr!  :)
Ich bin für jede Unterstützung dankbar und die Kinder auch!! Werdet Teil meines Projektes :)


Hier einige Fotos:

Feiertag in Costa Rica: Einige Kinder in typischen guanacastischen Trachten

Kinder spielen nahe am verrosteten Zaun

Meines Erachtens erinnert dies eher an einen Gefängniszaun

Heruntergekommene Tür die zum Klassenraum führt

Verrosteter Zaun

Die Fenster lassen nur wenig Licht durch und lässt den Raum dunkel erscheinen; die Farbe ist heruntergekommen




Es ist auch ein Zeitungsartikel in der Westdeutschen Zeitung über mein Projekt erschienen. Bei Interesse: Westdeutsche Zeitung, Lokalausgabe Wuppertal, Mittwoch, 19. August 2015, Seite 17, Autorin Anne Palka

Freitag, 3. Juli 2015

Eine Welt voller Kinder





Die unter euch, die mich etwas besser kennen, wissen, dass ich immer gesagt habe ich könne nichts mit Kindern anfangen und schon gar nicht mit ihnen arbeiten. Ich habe dies immer gesagt, weil ich in Wahrheit einfach gar keine Ahnung von Kindern hatte und, wieso auch immer, vielleicht sogar ein bisschen Angst. Nicht weil ich befürchtet hätte, dass sie mich anfallen würden oder unfreundlich zu mir seien (Kinder sind die Träger der Unschuld und wissen gar nicht, was böse sein bedeutet). Sondern vor der Verantwortung die man als Erwachsener in Gegenwart von Kindern automatisch erlangt. Und für mich waren Kinder immer unberechenbare, tickende Zeitbomben. Schwierige Mischung. Das alles heisst nicht,  dass ich Kinder nicht mochte oder so. Ich wusste nur nicht, wie sie ticken.
Wieso schreibe ich dies alles? Nun, ich bin jetzt schon seit fast zwei Monate in meinem neuen Projekt: Cen Cinai de San Miguel. Vergleichen könnte man es mit einer deutschen KiTa und ganz logisch kombiniert heisst das,  dass ich jetzt mit Kindern arbeite :D. San Miguel ist ein ziemlich armes Viertel von Desamparados und Cen Cinais sind Einrichtungen für Kinder aus Familien,  die manchmal nicht mal genügend Geld für Essen haben. Deswegen gibt es auch einige Fälle von Unterernährung in meinem Cen Cinai.
Momentan gibt es zwei Gruppen mit jeweils 25 Kindern. Die Gruppe vom Morgen sind die Kleinen zwischen 2 und 4 Jahren und die Nachmittagsgruppe sind die Vorschulkinder zwischen 4 und 6 Jahren.  Der Ablauf ist immer der selbe und ich stelle euch diesen eben in Form eines Stundenplans vor:

7:30:     Die Kinder kommen im Cen an und gehen in die Klasse.
7:42:     Ich komme halb rennend durch die Eingangstür, da ich es auf Grund des Bussystems nie pünktlich zur Arbeit schaffe :D
Bis 8:00:  Begrüßungsphase für die Kleinen; mit singen,  tanzen,  Morgensport oder Märchen vorlesen
8:00:     Hände waschen,  in den Esssaal gehen,  beten und frühstücken (auf die Ernährung wird besonderen Wert gelegt und es gibt zwei Köchinnen die jeden Tag drei Mahlzeiten kochen)
8:30:      Zähne putzen und zurück in die Klasse
Bis ca. 9:00:  Die Niña oder ich halten eine Unterrichtsstunde über verschiedene Themen (Umwelt, Werte,  Zahlen...)
Bis ca. 10: Spielzeit. Die Kinder können sich für verschiedene "Areas" entscheiden. Es gibt die Bibliothek, mit Büchern, Musikinstrumenten und Kuscheltieren, die Baustelle mit Legos und Bausteinen, das Häuschen, die Naturwissenschaft mit Tieren und die Area der stillen Arbeit mit Logik-und Denkspielen für Kinder. Während dieser Zeit nehme ich mir immer die Problemfälle zur Seite und übe mit ihnen zum Beispiel Zahlen und Farben.
Bis 10:30:  Die Kinder haben Pause und gehen, vorausgesetzt es regnet nicht, in den Garten spielen
Bis kurz vor 11:  Mittagessen, danach werden die Kleinen abgeholt und bis halb 12 hab ich Zeit, schnell mein Mittagessen runterzuschlingen, um dann die Nachmittagsgruppe in Empfang zu nehmen. Der ganze Ablauf wiederholt sich dann bis 14:30, die Zeit für die Merienda ("Kaffeetrinken"). Danach werden alle Kinder abgeholt und die Niñas ( die Kindergärtnerin und ich :D) haben etwas Zeit um organisatorische Punkte zu klären.

Ich brauchte Anfangs so meine Eingewöhnungszeit, aber inzwischen macht mir die Arbeit wirklich Spaß und ich habe die Kinder schon sehr in mein Herz geschlossen.

Was ich sehr schön an der Einrichtung finde, ist, dass armen Familien wirklich geholfen wird (die Eltern und weitere Kinder erhalten Gratismittagessen)  und dass den Kindern wirklich was beigebracht wird. Ich zumindest kann mich nicht erinnern im Kindergarten damals schon die Zahlen, Buchstaben und Themen wie Umweltverschmutzung gelernt zu haben. Außerdem machen wir viele Aktionen mit den Kindern, wie zum Beispiel als die Woche der Agrikultur war, gab es ein großes Fest mit selbstgemachten Gerichten aus gesunden und ökologischen Zutaten und die Kinder haben Bohnen angepflanzt. Gestern war die Feier zum Ferienbeginn, mit vielen Partyspielen für Kindern, wie gefüllte Luftballons mit dem Kopf zerplatzen lassen, Wasserschlacht und Piñata. Fakt ist, alle Costa Ricaner lieben Feste, auch die Kleinen. Es wird einfach alles gefeiert.

Während der Zeit die ich jetzt schon dort arbeite habe ich gemerkt,  dass ich vergessen habe,  wie es ist ein Kind zu sein. Die Welt war so einfach, bunt und nur mit kleinen Sorgen, die man meistens nicht einmal richtig verstanden hat. Als Kind kann man sich mit allem beschäftigen, was mich persönlich äußerst fasziniert und wiederum Erinnerungen weckt. Es ist wirklich äußerst interessant mit Kindern zu arbeiten,  da man live mitkriegt,  wie sich der Charakter formt. Es tut auch wirklich gut, mit ihnen zu arbeiten, da es ein ausgewogendes Geben und Nehmen ist. Ich beschäftige mich mit ihnen, bringe ihnen nützliche Sachen für die Zukunft bei und zeige ihnen, dass ich gerne mit ihnen arbeite und sie zeigen mir ihre Dankbarkeit und dass sie mich mögen. Außerdem werden diese Kinder wahrscheinlich nie Näher an Europa rankommen, da sie sich sowas niemals leisten könnten, deswegen fragen sie mich ganz viel über mein Land und wollen Fotos sehen und ich erzähle ihnen alles was ich weiss.
Vor kurzem hatte ich mein erstes Erfolgserlebnis: Ein kleines 3 jähriges Mädchen, mit dem ich seit zwei Monaten fast jeden Tag die Farben übe und sie es einfach nicht zu lernen schien antwortete auf meine Frage, welche Farbe das Gras hätte,  mit grün. Der Himmel? Blau. Das Spielzeughuhn? Gelb. Ich hätte vor Freude weinen können! So ein schönes Gefühl etwas erreicht zu haben hatte ich noch nie in diesem Ausmaß, obwohl es nur drei einfache Farben sind. Nun... Habe ich womöglich mein Ziel erreicht, auch die kleinen Dinge des Lebens schätzen zu lernen? Ich bin zumindest sehr glücklich hier und dankbar, dass ich endlich im neuen Projekt angekommen bin.

P. S: Ich habe jetzt erstmal zwei, drei Wochen Ferien und meine beste Freundin kommt mich besuchen. Ich mache euch aber bald einen weiteren Blogeintrag, in dem ich euch mein Personal Project vorstelle :).

Naaa wer kann den Ring am längsten oben behalten? 

Die Nachmittagsgruppe beim Bohnen pflanzen

Blick vom Garten aufs Cen Gebäude

Fortbildungsveranstaltung für die Eltern zum Thema Harmonisches Zusammenleben

Viel Bewegung beim Tag der Ernährung und Agrikultur

Stille Arbeit im Lehrbuch

Piñata! Piñata!! 

                       


Das ist übrigens die Website von allen Cen Cinais :)  

Funfact Costa Rica

Hier essen alle fast ausschließlich NUR mit Löffeln. Ich habe immer noch nicht rausbekommen wie sie das genau machen. Ich zumi dest brauche mein Messer. Leider habe ich mich wohl anfangs falsch ausgedrückt und meinte anscheinend dass man in Europa immer mit Gabel ist. Nun... Jetzt kriege ich immer nur eine Gabel zum Essen :D Noch unpraktischer als ein Löffel. Klappt aber inzwischen ganz gut.